Zuwachs für die gelbe Flotte – Erster Wagen der neuen Stadtbahnserie in Stuttgart eingetroffen

Posted by Klaus on 17th Februar 2017 in Rund um die Eisen- und Straßenbahn, Zacke,Seilbahn,SSB

Pressemitteilung der SSB vom 17.02.2017

2017.02.15.stuttgart.s-dt8.Nicht nur das Netz der Stadtbahn Stuttgart wächst, auch der Fahrzeugbestand der SSB. Zu den vorhandenen 184 gelben Triebwagenzügen, davon bereits 20 Stück vom Typ DT 8.12 von 2012/2013, kommen nun wieder 20 Exemplare dazu. Der erste davon ist am 15. Februar in der Möhringer Hauptwerkstatt eingetroffen. Bis zum Spätherbst 2017 wird die Stadtbahnflotte somit auf über 200 Exemplare angewachsen sein. Doch die SSB braucht die bewährten Fahrzeuge auch dringend.

Wohl kaum jemand würde es in Stuttgart auffallen, wenn sich unter den vierzig Meter langen Stadtbahnwagen, die über die kommunalen Gleise flitzen, plötzlich einer mischte, der eine höhere Nummer trägt als 3539/40. Doch den Verkehrsfreunden in der Region entgeht so etwas nicht: Wenn vor der Möhringer Hauptwerkstatt der SSB plötzlich Absperrtafeln stehen, die einen Schwertransport ankündigen, dann ist das für die Straßenbahnfans wie die Ankündigung einer Bescherung. So wurde auch Wagen 3541 zur Monatsmitte unter dem eifrigen Klicken der Kameras der – wie die Engländer sagen würden – Tram-Spotter abgeladen. Neu ist dieser Anblick nicht, schon 2013/14 trafen die ersten 20 Züge dieser damals neuen Bauart S-DT 8.12 in der Landeshauptstadt ein. Der jetzige Typ läuft unter der Bezeichnung DT 8.14, unterscheidet sich aber sonst nicht von den Vorgängermodellen von 2013. Mit den zusätzlichen Zügen erweitert sich der Fahrzeugpark der SSB auf 204 Einheiten. Mit einem Anteil von insgesamt 40 Stück daran werden die Züge der neuen Type somit rund 20 Prozent des Gesamtbestandes stellen. Der Stückpreis beträgt etwa 3,8 Millionen Euro pro Fahrzeug.

Den DT 8.12 oder auch 8.14 erkennt man außen schon auf den ersten Blick an der stark abgerundeten und heruntergezogenen Front, am Wagenkasten, der nach oben leicht schmäler zuläuft, der Fachmann sagt dazu „Verjüngung“, und an der silberfarbenen Dachreling, die den Zug noch schlanker und länger wirken lässt. Innen ist das Kennzeichen der aktuellen Type der Mehrzweckbereich bei der vorderen und hinteren Tür, wo Klappsitze und Plätze für Rollstuhlfahrer, Kinderwagen und Fahrräder vorhanden sind. Auch die Haltestangen im Türbereich sind ein Unterscheidungsmerkmal, denn sie sind silberfarbig verchromt.

Gründliche Messfahrten

Lieferant der Wagen ist, wie schon 2013, die deutsch-schweizerische Firma Stadler mit ihrem Werk in Berlin. Die Rohbauteile und weitere Großbauteile werden allerdings von anderen Herstellern zugeliefert. Bei Stadler gehört das Stuttgarter Modell zur Produktplattform namens Tango. Allerdings ist das Grundkonzept für den Stuttgarter Wagen schon Anfang der 1980er Jahre entwickelt und erstmals 1985 gebaut worden, von zwei damaligen Herstellern aus Nürnberg und Düsseldorf. Weil die bewährte Struktur über die drei Jahrzehnte beibehalten wurde, wirken die gelben Züge heute noch alle wie aus einem Guss. Das ist auch deshalb kein Wunder, weil der Produktgestalter über all die Jahre der gleiche war und ist: Herbert Lindinger aus Hannover. Er entwirft seit jeher das Design populärer funktionale Objekte, von der Telefonzelle über den Rasierapparat bis zum Linienbus. Und er ist leidenschaftlicher Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. Weil er einen Blick dafür hat, wie sich die Fahrgäste im Fahrzeug verhalten, gestaltet Lindinger die Haltestangen, Griffe und Armablagen im Wagen auch so, dass sie körpergerecht sind – aus der Praxis für die Praxis.

Bevor der jetzige nagelneue Achtachser in den Fahrgastbetrieb geht, steht – wie für jedes einzelne neue Exemplar – zunächst ein umfangreicher interner Durchlauf an, die so genannte Abnahme. Dabei wird die 62 Tonnen schwere Fahrzeugeinheit verwogen, sämtliche Funktionen werden durchgeprüft, alle Vorräte an Öl, Bremssand, Scheibenwischwasser aufgefüllt, Feuerlöscher, Weichenstelleisen, Weichenbesen und Verbandskasten erhalten ihren Platz, Probefahrten alleine und in Doppeltraktion mit einem Wagen gleichen Typs sind erfolgreich zu absolvieren. Bremsmessfahrten kommen hinzu und müssen für jedes einzelne Fahrzeug dokumentiert werden, und nicht zuletzt sind die zahlreichen Aufkleber anzubringen, die der Information der Fahrgäste dienen. Wenn der Wagen alle Anforderungen nachgewiesenermaßen erfüllt, erfolgt die Freigabe der SSB gegenüber dem Hersteller.

Etwa zwei, eher drei Wochen braucht eine solche Abnahme seitens der SSB Zeit. Daher wird es gut ein Jahr dauern, bis alle 20 neuen Wagen sich im 130 Kilometer langen Streckennetz der SSB tummeln. Der kommunale Mobilitätsdienstleister braucht die Auffrischung der Flotte aber dringend, denn ab dem Herbst 2017 wird die Verstärkungslinie U19 in Bad Cannstatt, zwischen Neugereut und Neckarpark, dauerhaft in Betrieb gehen. In der zweiten Jahreshälfte kommt auch die durchgehende Linie U 12 von Dürrlewang über Hallschlag bis Remseck dazu. Weil die U12 dann – im Gegensatz zur momentanen Praxis auf dem kürzeren Streckenast – auch mit Doppelzügen befahren wird, verdoppelt sich dort der Fahrzeugbedarf. Wie üblich werden neu in Betrieb genommene Wagen zunächst dem Betriebshof Möhringen zugeteilt, so dass diese Fahrzeuge vorrangig auf den so genannten Talquerlinien laufen, also mit Schwerpunkt auf den Linien U5, U6, U7, U8 und U12, daneben auch auf der U3. Gleichzeitig werden dafür jeweils andere Wagen nach und nach den anderen beiden Betriebshöfen Heslach und Remseck zugeteilt.

Weitere Wagen dringend nötig

Mit dem Hersteller hat die SSB eine Option vereinbart, dass sie bis ins Jahr 2018 zu vergleichbaren Konditionen nochmals 20 Stück der aktuellen Wagen beziehen kann. Der Bedarf an weiteren Wagen ist nötiger denn je. Denn nicht nur für die geplanten Ausweitungen und Verstärkungen des Angebotes braucht es zusätzliche Fahrzeuge. So soll ab 2018 die Tangentiallinie U16 zwischen Feuerbach und Fellbach verkehren und damit zwei sehr stark nachgefragte Abschnitte entlasten. Auch für den Hauptteil der U1 zwischen Fellbach und Heslach ist mittelfristig eine Umstellung von 40- auf 80-Meter-Züge vorgesehen. Die Durchbindung der U12 bis Remseck und die Verlängerung der U6 bis zum Flughafen werden ebenfalls je eine weitere Doppeleinheit an Fahrzeugen erfordern. Vor allem aber drückt der Schuh an zwei weiteren Stellen: Die Verdoppelung der Zuglänge bedeutet auch doppelt so viel Kilometerleistung auf der betreffenden Linie – und damit verdoppelt sich der Bedarf an Werkstattleistungen. Durchschnittlich spult jeder Wagen schon heute pro Jahr durchschnittlich bis zu 120 000 Kilometer. Jeder Wagen, der früher in die Werkstatt muss, fehlt aber auf der Strecke. Somit muss auch die Einsatzreserve so oder so vergrößert werden.

Zum anderen erreichen die heute laufenden, vor 2012 gebauten Wagen, die jetzt schon teils über 30 Jahre alt sind, unabänderlich das Ende ihrer Nutzungsdauer. Zwar durchläuft die Mehrheit davon, bis heute 76 Exemplare, seit 2008 eine Generalsanierung, durch welche die Nutzungsdauer nochmals um bis zu 20 Jahre verlängert wird. Doch das bedeutet, dass die ersten nicht der Sanierung unterzogenen Wagen eigentlich ab 2020 zum definitiven Ersatz anstehen. Neue Wagen wiederum kommen nicht per Mausklick, sondern haben eine Lieferzeit von etwa zwei Jahren. So fehlt es bei der SSB nicht an einer mittelfristigen Planung, aber am erforderlichen Geld. Wolfgang Arnold, Technikchef der SSB, wird nicht müde, auf die seitens des Landes seit Jahren nicht mehr erfolgende Fahrzeugförderung hinzuweisen, die einst über Jahrzehnte eine verlässliche Stütze war, wenn es um neue Wagen ging.

Ihre Eigenmittel braucht die SSB dringend zur laufenden Sanierung des Netzes, das nun im Wesentlichen auch das gleiche Alter erreicht wie die Fahrzeuge. Ohne Aussicht auf Zuschüsse für neues Wagenmaterial kann die SSB aber keine Aufträge vergeben. Findet sich bis 2018 keine Finanzlösung, ist der bisherige Anschlussauftrag nicht mehr möglich. Dann muss die SSB zunächst eine neue europaweite Ausschreibung durchführen, was wieder kostbare Zeit benötigt. Preisgünstiger werden die Wagen in dieser Zeit nicht. Denkbar ist außerdem, dass der Bedarf an Leistungen des öffentlichen Nahverkehrs noch schneller und rascher zunimmt, Stichworte Feinstaubbelastung und Stickoxidproblematik.

Um die bald über 200 Wagen nachts unterzubringen, erweitert die SSB innerhalb ihrer Möhringer Anlage die Abstellfläche. Sollten noch mehr Fahrzeuge dazukommen, was mit großer Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird, so braucht der Verkehrsbetrieb auf jeden Fall einen weiteren, vierten Betriebshof, schon damit die Ausrückwege auf die Strecke nicht zu lang werden. Bekanntlich ist die SSB daher auf der Suche nach einem passenden Grundstück, das dort liegen soll, wo sowieso heute schon Doppelzüge eingesetzt werden. Auch für diesen Betriebshof ist noch die Finanzierung zu regeln.

Foto, SSB – DT 8.14

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