Stuttgart 21: Fass ohne Boden – Grüne: Projektbefürworter müssen Reißleine ziehen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN IM GEMEINDERAT STUTTGART Pressemitteilung

Jetzt ist es endlich raus – Stuttgart 21 wird nach Rechenweise der Bahn mindestens 1,1 Mrd. EUR mehr kosten. Nach Berechnung von McKinsey steigen die Kosten auf 6,8 Milliarden EUR. Stuttgart 21 ist somit schon jetzt ein Fass ohne Boden – dabei haben die Bauarbeiten noch nicht einmal richtig angefangen. Und die eigentlichen Überraschungen werden erst kommen, wenn die Bahn in den Untergrund geht.
Die Projektbefürworter haben versprochen, dass der Kostendeckel gilt.
Sie sind nun mit in der Verantwortung, gemeinsam mit der Bahn Gespräche zum Ausstieg aus dem Projekt zu führen und die finanzielle Geisterfahrt zu beenden.
Die Auflistung der Risiken des ehemaligen Projektleiters Azers werden jetzt Stück für Stück Wirklichkeit. Die von Bahnchef Grube vorgerechneten Einsparungen von 800 Mio. EUR haben sich als Illusion entpuppt, genau wie es die Grünen immer vorhergesagt haben.
Die Bahn hat in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass es ihr an Geld für die Instandhaltung des Netzes, besonders der Eisenbahnbrücken, und den Ausbau der Infrastruktur fehlt.
Stuttgart 21 zieht einen Großteil der Gelder für den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur im ganzen Bundesgebiet ab. Auf viele Jahrzehnte.
Und trotzdem wird Stuttgart keinen leistungsfähigeren Bahnknoten bekommen, schon gar nicht in absehbarer Zeit.
Die Bahn hat jetzt schon in der Region Stuttgart das Problem, die S-Bahnen, Rückgrat des Öffentlichen Verkehrs in der Region, ordentlich und pünktlich am Laufen zu halten. Die Ausfälle und Probleme bei der S-Bahn werden langsam zu einem Problem für den Wirtschaftsstandort Stuttgart, wenn die vielen Pendler sich nicht mehr auf die S-Bahn verlassen können.
Ein nicht kleiner Teil der Ausfälle davon kann direkt auf die Bauvorbereitung von Stuttgart 21 zurückgeführt werden. Und das gesperrte Gleis 10 ist inzwischen das Sinnbild für die Probleme im täglichen Bahnverkehr.
Die Bahnspitze hält uneinsichtig weiter an ihrem Fehlprojekt Stuttgart 21 fest, trotz der Kostenüberschreitung und der Unwirtschaftlichkeit, die sich inzwischen eingestellt hat. Das geht nur, wenn auf die Finanzierungshilfe der Steuerzahler gehofft werden kann – die freie Wirtschaft wäre längst ausgestiegen.
Bahnchef Grube hat noch vor einem Jahr, vor der Volksabstimmung, mehrfach zugesichert, dass das Projekt nicht teurer wird als die verfügbaren 4,5 Mill. EUR. Auf derartige Versprechungen können wir uns wieder einstellen, nur dass er zukünftig eben von 5,6 Mill. EUR spricht. Diese verantwortungslose Schönfärberei muss ein Ende haben. Es erscheint uns auch kaum vorstellbar, dass sich diese Mehrkosten erst in den letzten Monaten aufgedrängt haben. Bahn und Projektbefürworter werden gut daran tun, glaubhaft darzustellen, dass sie vor der Volksabstimmung weder Infos zurückgehalten noch falsch informiert haben.
Es liegt jetzt an den Befürworterparteien CDU, FDP und SPD, ihrer Gesamtverantwortung für Stadt, Region, Land und Bund nachzukommen. Halten sie an Stuttgart 21 fest und zwingen die Bahn zum Bau, dann bedeutet das in Zukunft einen Rückbau der Schieneninfrastruktur, der auf Kosten der Bahnreisenden und auf Kosten des deutschen Steuerzahlers geht.
Die Projektbefürworterkoalition kann sich jetzt nicht herausreden, dass alles nur Sache der Bahn sei. Stuttgart 21 war auch immer ein politisches Projekt, vorangetrieben von CDU, SPD und FDP.
Der Kostendeckel gilt, das haben die Projektbefürworter versprochen. Deswegen sind sie nun mit in der Verantwortung, gemeinsam mit der Bahn Gespräche zum Ausstieg aus dem Projekt zu führen und die finanzielle Geisterfahrt zu beenden.

Unterzeichnet:
Peter Pätzold

Siehe hierzu einen Bericht des SWR/ Bahn bestätigt Milliarden-Kostensteigerung bei S21 und Chronologie der Kosten-Explosion bei S21

Foto, Archiv Stratkon und Sabine/Klaus

4 Responses to “Stuttgart 21: Fass ohne Boden – Grüne: Projektbefürworter müssen Reißleine ziehen”

  1. Dave sagt:

    Wenn man jetzt doch noch aussteigen und das Projekt beenden würde, gäbe es zwar einen gewissen Kollateralschaden, aber gemessen an den finanziellen Aufwendungen, die scheinbar ins Unermessliche gehen, wäre es ein Gewinn. Weil nämlich kein weiteres Geld (Konventionalstrafen etc) mehr ausgegeben würde.
    Leider sind die Verantwortlichen von S21 dem „SUNK COST FALLACY“ zum Opfer gefallen. Solche Leute bewerten die Vergangenheit und damit das, was bereits alles investiert wurde. Auf der Basis wird dann gerechtfertigt, dass man weiter investieren müssen, koste es was es wolle… auch Milliarden.
    Genau das erleben wir bei S21. Die Verantwortlichen wollen konsistent erscheinen und sie können keine Fehler zugeben. Die Leute sind vernufts- und lernresistent und gehören entfernt.

    Die Zeche zahlen wir alle, bloß weil bei ein paar Betonköpfen das Hirn abgestorben ist…

  2. stratkon sagt:

    @ Dave,

    völlig richtig. Aber deren Denken hat auch noch viel mit Kameralistik und mit Herrschaftswissen zu tun.

    Wesentlich ist, dass die in der Volksabstimmung festgelegte Kostengrenze nunmehr offiziell überschritten wird. Daraus folgt, dass die politische Bindung an das Ergebnis aufgehoben ist und daher ein Ausstieg angestrebt werden kann.

    Die Entscheidung des Aufsichtsrates zu dieser Vorstandsvorlage fällt mit Januar 2013. Oben bleiben.

    stratkon

  3. BigB sagt:

    Das wahrscheinliche Szenario wird so aussehen: Die Bahn wird weiterbauen. Sie wird die Mehrkosten umschlagen auf ihre Kunden. Eine andere Entscheidung der Vorstände würde mich wundern.

    Um die Wirtschaftlichkeit geht es nicht mehr, das ganze Projekt hat mittlerweile eine neue Dimension erreicht. Stuttgart 21 ist ein zweites Wackersdorf.

    Damals ging es um Energiepolitik einer Technik, die sich nicht beherrschen lässt, heute geht’s um die Systemimmanenz einer Gier, die sich nicht beherrschen lassen will.

  4. Klaus sagt:

    Die Kosten werden ins Unendliche steigen, was mich an den Flughafen in Berlin erinnert. Kein ENDE der Kosten in Sicht. Keiner kann sagen was sich beim etwaigen Tunnelbau für Probleme auftun und Mehrkosten verursacht. Brandschutz, Filderbahnhof u.s.w.

    Ob die Bahn mit so einem teuren Projekt an die Börse kann????

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.