Wozu ein Sozialticket ?

Pressemitteilung der Freie Wähler Gemeinderatsfraktion Stuttgart

Die Freien Wähler sprechen sich gegen die Einführung eines Sozialtickets in Stuttgart aus

Fahrkartenautomat-der-VVSEs soll hier eine städtische Freiwilligkeitsleistung beschlossen werden, die es bisher in keiner anderen deutschen Stadt in dieser Form gibt. Sozialtickets kennen wir aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg /Berlin. Dort sind das aber keine kommunalen Leistungen. Diese Sozialtickets werden jeweils vom Land finanziert. Wir wollen wissen, in welchem Umfang die Landesregierung – wie die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg/Berlin – dazu bereit ist, Sozialtickets in Baden-Württemberg zu fördern.

Nach unserer Auffassung brauchen wir in Stuttgart kein Sozialticket mehr, weil es schon gute und ausreichende Vergünstigungen – vor allem über die Bonuscard – gibt, die sozial schwachen Bürgern unserer Stadt die Teilhabe am öffentlichen Personennahverkehr ermöglichen.

Zur Bonuscard: Hier wendet die Stadt bereits freiwillige Zuschüsse für den ÖPNV in Höhe von jährlich rd. 2 Mio. EUR auf. Soviel zahlt keine andere Stadt in Deutschland. Mannheim wendet z.B. jährlich 400.000 EUR auf, die zur Subventionierung von Einzelfahrscheinen bestimmt sind. In Stuttgart haben wir ein modernes und bürgerfreundliches Verfahren: Die Besitzer einer Bonuscard (zur Zeit sind das rd. 65.000) kaufen mit Vorlage der Bonuscard ermäßigte Wertmarken entweder für das 9-Uhr-UmweltTicket oder das SeniorenTicket oder das 14-Uhr-JuniorTicket und können dann fahren. Der Mindererlös der SSB/VVS wird direkt mit der Sozialverwaltung abgerechnet. Der Verwaltungsaufwand ist minimal, die Nutzer können mobil im Stadtgebiet fahren und der Verkehrsverbund hat seine Einnahmen! Also ein optimales Verfahren!

Die Befürworter des Antrages machen geltend, sozial Schwache seien vom ÖPNV ausgeschlossen, weil im Regelsatz nur ein Teilbetrag von 19,44 EUR bestimmt sei. Dies ist falsch! Es gibt keine zweckbestimmten Anteile im Regelsatz! Vielmehr handelt es sich bei dem Regelsatz um eine pauschale Leistung, mit der die Leistungsempfänger selbstbestimmt disponieren können. Tatsache ist, dass bei der Berechnung des Regelsatzes auch der Betrag eine Rolle spielt, der von unteren Einkommensschichten durchschnittlich für Verkehrsdienstleistungen ausgegeben wird. Dies sind gegenwärtig 22,78 EUR pro Monat. Daraus aber einen zweckbestimmten Anteil im Regelsatz herzuleiten ist sachlich falsch! Dies hat das Bundessozialgericht schon mehrfach festgestellt. Deshalb wird der Regelsatz eines Leistungsberechtigten auch nicht gekürzt, wenn dieser z.B. kein Geld für Freizeit, Unterhaltung und Kultur ausgibt, obwohl diese Bedürfnisse mit rd. 40 EUR im Monat in die Regelsatz-Berechnung einfließen.

Wir sind der Auffassung, dass die Mobilität unserer sozial schwachen Mitbürgerinnen und Mitbürger durch die jetzt schon vorhandenen Leistungen ausreichend gefördert und gesichert ist. Soweit es sich um erwerbsfähige Menschen handelt, die als Aufstocker Leistungen vom Jobcenter beziehen, haben diese einen Anspruch darauf, dass die notwendigen Fahrtkosten bei der Berechnung der SGB II-Leistungen – die der Bund finanziert – vom Jobcenter voll berücksichtigt werden. Wenn wir dann noch für diese Menschen das Sozialticket zur Verfügung stellen, erhalten diese Menschen sogar Doppelleistungen! Das kann nicht gewollt sein!

Auch diejenigen Menschen, die arbeitslos sind und vom Jobcenter ein Arbeitsangebot erhalten und sich vorstellen müssen, erhalten die für die Vorstellung notwendigen Fahrtkosten vom Jobcenter aus Bundesmitteln ersetzt.

Ist es Aufgabe der Landeshauptstadt Stuttgart, den Bund finanziell zu entlasten – wohl nicht! Außerdem halten wir fest, dass Herr Oberbürgermeister Kuhn auf Seite 3 der Beantwortung des Antrags 182/2014 darauf hinweist, dass „eine dauerhafte Gegenfinanzierung“ bei Einführung des Sozialtickets „zwingend notwendig ist“. An welcher Stelle soll das dafür notwendige Geld eingespart werden?

Wir treten für soziale Gerechtigkeit ein und die Bürgergesellschaft in Stuttgart ist uns ein besonderes Anliegen. Auch sozial schwache Menschen sind Mitglied unserer Stadtgesellschaft und haben Anspruch auf unsere Solidarität. Aber wir sind der Auffassung, dass soziale Leistungen auch eine Bedürftigkeit voraussetzen und dies ist beim Sozialticket in der vorgesehenen Form nicht der Fall. Wir können deshalb diesem Vorhaben nicht zustimmen!

Foto, Blogarchiv

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